Vom Aschenputtel zum Herbstmeister
Als der TV Herkenrath Anfang der Saison 2014/2015 die Winterpause als Herbstmeister der Landesliga einläutete, konnte selbst Cheftrainer Michael Hornig sein Glück kaum fassen. „Wenn ich ehrlich bin: Diese Entwicklung war in keinster Weise so weit gedacht worden", gibt der 49-Jährige zu. „Man träumt natürlich immer vom Besten, wenn man Fußball spielt. Aber dass es tatsächlich so kommt? Nein, das haben wir nicht geplant."
Der Verein schien jahrelang vor sich hin zu dümpeln. Kreisliga C – mehr war nicht drin. Doch beginnend mit der Saison 2010/2011 änderte sich alles. Aufstieg um Aufstieg folgte. Kreisliga B. Kreisliga A. Bezirksliga. Landesliga. Vier Anstiege in Folge. Kein Ausrutscher. Kein Stocken. Nur Erfolg.
„Grundsätzlich haben wir immer von einer Klasse zur nächsten gedacht", erklärt Manfred Faber, Vorsitzender der Fußballabteilung. „Unser Ziel war es stets, unter die ersten Fünf zu kommen. Diese Serie war eine Mischung aus Glück, Zufall und Optimismus – aber niemals durchkalkuliert."
Spekulationen um Millionen-Gönner
Mit dem sportlichen Höhenflug kamen die Gerüchte. Im rheinischen Amateurfußball wird schnell getuschelt, wenn ein Verein plötzlich so erfolgreich ist. Der Verdacht: Ein finanzkräftiger Gönner muss im Hintergrund die Fäden ziehen. Vor allem, weil Manfred Faber beruflich für die Steuerberatungsgesellschaft ETL arbeitet – deren Geschäftsführer ist Franz-Josef Wernze, millionenschwerer Mäzen von Viktoria Köln.
„Allgemein wird da viel zu viel gemunkelt", wehrt Faber ab. „Bei uns gibt es keine riesigen Investoren." Auch Trainer Hornig stellt klar: „Die Spieler bekommen eine Aufwandsentschädigung, wie in dieser Spielklasse üblich. Aber unser Budget liegt im unteren Drittel der Landesligisten. Einen Mäzen haben wir nicht."
Statt großer Schecks setzt Herkenrath auf Kontinuität. „In unserem aktuellen Kader stehen immer noch drei Spieler, die bereits seit der Kreisliga C dabei sind", betont Hornig stolz. „Aus der Kreisliga B-Saison sind es sogar sechs. Vor dieser Spielzeit haben wir ausschließlich Talente geholt, die 21 Jahre oder jünger sind."
Regionale Verwurzelung ist dem Verein wichtig. Nahezu alle Akteure stammen aus der näheren Umgebung von Herkenrath. „Ausnahmen sind nur Dennis Weis und Joshua Schmitt, die aus der Viktoria Köln Jugend kamen", erklärt Hornig. „Aber auch die fühlen sich hier wohl."
Gemeinsame Kinoabende und echter Teamgeist
Was den TV Herkenrath tatsächlich auszeichnet, ist die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft. „Man muss nur einmal bei einem Training vorbeischauen", schwärmt Faber. „Dann sieht man, was bei uns im Vordergrund steht: der Teamgeist. Selbst Ersatzspieler, die kaum eine Minute auf dem Platz gestanden haben, freuen sich für den Rest der Truppe."
Der Zusammenhalt ist kein Zufall. Regelmäßig unternimmt das Team gemeinsame Freizeitaktivitäten. Freitags gehen die Jungs schon mal geschlossen ins Kino. Solche Rituale schweißen zusammen – auf und neben dem Platz.
„Angesichts der aktuellen sportlichen Situation sind die Jungs heiß auf jeden Sieg und genießen das Fußballspielen", erzählt Hornig. „Auch mir als Trainer macht es riesigen Spaß. Früher wurden wir von vielen belächelt. Inzwischen wird die Arbeit des TVH auch von außen anerkannt. Das höre ich immer öfter von anderen Trainern."
Keine großen Ziele – und doch ganz nah dran
Trotz der Herbstmeisterschaft in der Landesliga vermeidet Hornig es, große Töne zu spucken. „Vor der Saison gaben wir 40 Punkte als Ziel vor, um die Liga zu halten. Diese Marke haben wir bald erreicht", sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. „Erst nach dem Erreichen dieser Marke formulieren wir neue Ziele. Meistens sieht man ja erst nach ein paar Niederlagen in Folge, wie groß der Teamgeist wirklich ist."
Auch Manfred Faber bleibt auf dem Teppich. „Ich bin von meinem Beruf her schon zurückhaltend und sachlich eingestellt. Nichts läge mir ferner, als Spekulationen über einen weiteren Aufstieg." Zudem sei fraglich, ob der Verein eine Saison in der Mittelrheinliga überhaupt stemmen könnte. „Von unserer Infrastruktur her ist die Verbandsliga schwer zu realisieren", räumt Hornig ein. „Der Verein verfügt weder über Sitzplätze noch über angemessene gastronomische Einrichtungen."
Von 15 auf 350 Zuschauer
Doch die Unterstützung aus der Umgebung wächst mit jedem Erfolg. Standen früher nur wenige Familienangehörige am Spielfeldrand, finden sich inzwischen bis zu 350 Zuschauer bei Heimspielen ein. Für Landesligaverhältnisse ist das außergewöhnlich. Sollte der erstaunliche Durchmarsch weitergehen, dürfte die Zahl noch steigen.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Im Amateurfußball braucht es nicht immer Millionen. Manchmal genügen Leidenschaft, Zusammenhalt und eine Prise Mut. Der TV Herkenrath beweist es – Spieltag für Spieltag.
Fazit
Die Geschichte des TV Herkenrath ist eine Lehrstunde in Sachen Bodenständigkeit. Vier Aufstiege in Serie ohne Investor, dafür mit echtem Teamgeist. Ob die Reise bis in die Mittelrheinliga führt, bleibt offen. Doch eines steht fest: In Bergisch Gladbach wird weiterhin ein Fußball gespielt, der begeistert – nicht durch Geld, sondern durch Herzblut.