Thekenmannschaft. Ein Begriff, der im Amateurfußball oft mit einem süffisanten Lächeln verwendet wird. Doch für viele Mannschaften ist diese Bezeichnung alles andere als ein Kompliment. Im Gegenteil: Sie kämpfen vehement gegen dieses Image an. Denn auch wenn das gesellige Beisammensein nach dem Training dazugehört – der Fußball steht im Vordergrund, nicht das Bier an der Theke.
Was ist überhaupt eine Thekenmannschaft?
Der Begriff „Thekenmannschaft" hat sich im deutschen Amateurfußball als Synonym für Teams etabliert, bei denen der sportliche Ehrgeiz eine untergeordnete Rolle spielt. Gemeint sind meist informell zusammengestellte Mannschaften aus dem Freundes- oder Kneipenumfeld, die primär wegen des Spaßes und der Geselligkeit zusammenkommen.
Charakteristisch ist die lockere Herangehensweise: Kein oder kaum Training, spontane Aufstellungen, Spieler aus verschiedenen Vereinen oder ehemalige Aktive, die längst ihre Fußballschuhe an den Nagel gehängt haben. Der Fokus liegt weniger auf taktischer Disziplin als vielmehr auf dem gemeinsamen Erlebnis – inklusive des obligatorischen Biers danach.
Solche Teams treten häufig bei Hobbyturnieren, Stadtmeisterschaften oder Kleinfeld-Events an. Humorvolle Teamnamen wie „FC Bierbaron" oder „SV Stammtisch United", selbst gestaltete Trikots und eine augenzwinkernde Selbstdarstellung gehören zum Erscheinungsbild. Die Ergebnisse? Nebensache. Hauptsache, alle hatten Spaß.
„Wir spielen Fußball, um zusammen etwas zu erleben. Gewinnen ist schön, aber nicht das Wichtigste. Nach dem Spiel sitzen wir zusammen – das ist der eigentliche Lohn."
„Wir sind keine Thekenmannschaft!"
Doch genau hier beginnt das Problem für all jene Amateurmannschaften, die zwar in unteren Ligen spielen, aber ihr Hobby verdammt ernst nehmen. Teams, die zweimal pro Woche trainieren, taktische Konzepte erarbeiten, Stammspieler und Ersatzbank haben, eine klare Rangordnung kennen und jeden Sieg hart erkämpfen.
Für diese Mannschaften ist es frustrierend, wenn sie von Außenstehenden – oder schlimmer: von Gegnern – als „Thekenmannschaft" bezeichnet werden. Der Vorwurf schwingt mit: Ihr nehmt das doch eh nicht ernst. Ihr trinkt doch nur Bier und kickt nebenbei ein bisschen.
„Das ist eine Beleidigung", sagt Jens Hartmann, Trainer des SV Blau-Weiß Rommerskirchen in der Kreisliga B. „Wir sind ein eingetragener Verein mit klarer Struktur. Unsere Jungs kommen pünktlich zum Training, wir haben taktische Vorgaben, wir analysieren Gegner. Nur weil wir nicht in der Landesliga spielen, heißt das nicht, dass wir keine ambitionierten Fußballer sind."
⚖️ Ambitionierter Amateurverein vs. Thekenmannschaft
Der schmale Grat zwischen Ernst und Spaß
Natürlich gehört die Geselligkeit auch im ambitionierten Amateurfußball dazu. Nach einem intensiven Training oder einem hart erkämpften Sieg schmeckt das Bier besonders gut. Die Kameradschaft, das gemeinsame Feiern nach einem Derby-Sieg, die legendären Vereinsfeste – all das macht den Amateurfußball aus.
Doch der entscheidende Unterschied liegt in der Prioritätensetzung: Bei einer echten Thekenmannschaft steht die Geselligkeit im Mittelpunkt, der Fußball ist Mittel zum Zweck. Bei ambitionierten Amateurmannschaften ist es umgekehrt: Der Fußball steht im Vordergrund, die Geselligkeit ist das i-Tüpfelchen.
„Klar trinken wir nach dem Training auch mal ein Bier zusammen", sagt Mittelfeldspieler Tim Schröder vom SC Rot-Weiß Frechen. „Aber das passiert nach dem Training. Während der Einheit wird konzentriert gearbeitet. Wer nicht pünktlich ist oder unentschuldigt fehlt, bekommt das zu spüren. Wir sind keine Hobbytruppe, die nur zum Spaß kickt."
✓ Woran man einen ambitionierten Amateurverein erkennt
- Regelmäßiges Training mit festen Terminen (mindestens 1-2x pro Woche)
- Taktische Besprechungen und Gegnervorbereitung
- Klare Hierarchie: Trainer, Kapitän, fester Kader
- Disziplin: Pünktlichkeit, Anwesenheitspflicht, Konsequenzen bei Fehlverhalten
- Ehrgeiz: Siege werden gefeiert, Niederlagen analysiert
- Langfristige Ziele: Aufstieg, Klassenerhalt, Nachwuchsarbeit
- Vereinsstruktur: Vorstand, Satzung, offizieller Spielbetrieb
- Ausrüstung: Professionelle Trikots, Trainingsmaterial, gepflegter Platz
„Gegen uns müsst ihr euch anstrengen!"
Das Image der Thekenmannschaft kann auch sportliche Konsequenzen haben. Gegner nehmen solche Teams oft nicht ernst – und erleben dann eine böse Überraschung. Denn unterschätzte Mannschaften kämpfen oft mit noch mehr Biss, um genau dieses Vorurteil zu widerlegen.
„Es gab Spiele, da hat der Gegner gedacht, gegen uns ist das ein Spaziergang", erinnert sich Torwart Kevin Braun vom TuS Grün-Weiß Kierberg. „Die kamen auf den Platz mit einer Attitüde, als wären wir nur eine Bande Kneipengänger. Nach 20 Minuten lagen wir 2:0 vorne. Da hat sich die Arroganz schnell in Respekt verwandelt."
Gerade in den unteren Ligen, wo Außenstehende oft pauschal von „Hobbymannschaften" sprechen, ist der Ehrgeiz vieler Teams enorm. Die Spieler opfern ihre Freizeit, investieren in Ausrüstung, fahren zu Auswärtsspielen quer durch die Region – und das alles ohne Bezahlung, ohne Ruhm, ohne große Zuschauermassen.
Was bleibt? Der Stolz, Teil einer Mannschaft zu sein. Das Gefühl, gemeinsam etwas erreicht zu haben. Und ja: auch das wohlverdiente Bier nach einem erfolgreichen Spiel.
Das Bier nach dem Training schmeckt am besten
Niemand bestreitet, dass das gesellige Beisammensein nach Training oder Spiel zum Amateurfußball gehört wie das Trikot zum Spieler. Die Kabinengespräche, das Lachen über den verpassten Elfmeter, die Diskussionen über die nächste Aufstellung – all das passiert oft bei einem kühlen Getränk.
Aber eben nach dem Sport. Nicht davor. Nicht währenddessen. Und schon gar nicht als Hauptgrund, warum man überhaupt zum Platz kommt.
„Das Bier schmeckt am besten, wenn man vorher alles gegeben hat", bringt es Spielertrainer Marco Lehmann vom FC Blau-Gelb Overath auf den Punkt. „Wenn du weißt, dass du dich auf dem Platz verausgabt hast, dass du für deine Mannschaft gekämpft hast – dann kannst du das Feierabendbier richtig genießen. Aber wer nur wegen der Theke kommt, der hat das Prinzip nicht verstanden."
„Wir sind Amateure – das stimmt. Aber Amateur heißt nicht gleichgültig. Wir lieben den Fußball. Und wer liebt, der nimmt sein Hobby ernst."
Respekt für alle – auch für echte Thekenmannschaften
Bei aller Abgrenzung: Auch echte Thekenmannschaften haben ihre Berechtigung. Sie bieten Menschen, die aus dem Vereinsfußball ausgestiegen sind oder nie dort aktiv waren, die Möglichkeit, trotzdem ab und zu zu kicken. Sie fördern Freundschaften, halten ehemalige Spieler in Bewegung und sorgen auf Hobbyturnieren für gute Stimmung.
Das Problem ist nicht die Existenz von Thekenmannschaften – das Problem ist die pauschale Gleichsetzung. Nicht jeder Amateurverein in der Kreisliga ist eine Thekenmannschaft. Nicht jede Mannschaft, die nach dem Spiel gemeinsam feiert, kickt nur zum Spaß.
Es gibt einen Unterschied. Und dieser Unterschied verdient Respekt.
Fazit: Fußball ernst nehmen – auch im Amateurbereich
„Wir wollen keine Thekenmannschaft sein" – dieser Satz ist kein Affront gegen gesellige Hobbykicker. Er ist eine Ansage: Wir nehmen unseren Sport ernst. Wir trainieren hart, wir kämpfen um jeden Punkt, wir haben Ziele.
Und ja, nach einem guten Training oder einem verdienten Sieg schmeckt das Bier an der Theke besonders gut. Aber eben nur, weil vorher der Fußball im Vordergrund stand – nicht die Theke.
Denn am Ende des Tages zählt für ambitionierte Amateurmannschaften nur eines: der Fußball. Alles andere kommt danach.